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1462 schuf Friedrich Herlin einen komplexen Flügelaltar für die Georgskirche, bei dem er nicht nur als Maler der Bildtafeln agierte, sondern auch als Unternehmer die Zusammenarbeit von Schreiner, Maler und Bildschnitzer koordinierte. Die Entwurfszeichnung zum Altar, der sog. Riss, stammt möglicherweise von Nicolaus Eseler d. ä., dem damaligen Kirchenbaumeister der Georgskirche.

Geschichte und Rekonstruktion des Altars

Der Aufbau von Herlins Hochaltar wurde 1683 abgebrochen und das Gehäuse mit einem barocken Mantel umgeben. Bis mindestens 1820 blieben die Flügel des Hochaltares noch auf der Rückseite aufgeklappt montiert. Spätestens aber seit 1876 waren die Tafeln im neuen Reichsstadtmuseum im Rathaus zu besichtigen.
Die Rückseite des gotischen Schreins mit dem Weltgericht war bis zur Restaurierung des Hochaltars 1969 sichtbar, erst dann trennte man das Gehäuse heraus und stellte es im linken Seitenschiff der Georgskirche auf. Bei der Restaurierung entdeckte man auf den beiden Schmalseiten des Schreins die Inschrift Friedrich Herlins: "Dis werck hat gemacht friderich herlein von rotenburck 1462" sowie Halbfiguren des Propheten Jesaia und Johannes des Täufers. Die spätgotischen Figuren der Heiligen Georg, Maria Magdalena, Maria, Johannes und das Kruzifix befinden sich noch immer im barocken Hochaltar der Georgskirche.
Anhand der Restaurierungsbefunde lässt sich für die Baldachinzone und das Gesprenge des Altars eine ähnliches Bild wie für Herlins Rothenburger Retabel rekonstruieren. Das Altarkonzept mit gemalten Flügeln, Schrein mit zweimaligen Auszügen und Figurenschmuck, der von Vorhang tragenden Engeln hinterfangen wird, ist eine Mischung aus niederländischen und schwäbischen Retabelformen, wie sie besonders Hans Multscher in Ulm geprägt hat.
Die Flügel des Georgsaltars zeigen auf den Außenseiten, den Werktagsseiten, jeweils Szenen aus dem Leben der Kirchenpatrone Georg und Magdalena, die Heiligen Barbara und Dorothea sowie Abbildungen der Stifterfamilie. Kindheit und Jugend Christi sind das Thema der Innen- bzw. Feiertagsseiten. Die Kirchenpatrone sowie Leben und Auferstehung Christi bestimmen damit das theologische Programm des Retabels. Der Altar als heiligster Ort der Kirche wurde im Mittelalter als Abbild des Abendmahltisches und als Symbol Christi verstanden. Leben, Tod und Auferstehung Christi, damit die zentrale Lehre der Kirche, schmückten daher häufig die Altarretabel. Natürlich boten sich die Kirchenpatrone ebenfalls als vorrangige Themen an.
Die Abbildung von mehreren Szenen aus der Heilsgeschichte diente der Bevölkerungsschicht, die nicht lesen konnte, als Bilderbibel. Dabei unterstützten typisch spätgotische, realistische Details wie zeitgenössisches Gewand und alltägliche Gebrauchsgegenstände die Glaubhaftigkeit der Szenen. Die Heilsgeschichte wurde zum realen Geschehen und ermöglichte dem Gläubigen außerdem, sich besser in das Gebet zu versenken. Bildliche Darstellungen wurden daher auch als Hilfsmittel für die religiöse Andacht verstanden. Darüberhinaus sollte das Leben Christi und der Heiligen dem Betrachter als Vorbild für das eigene Dasein dienen.

Die Stifter des Hochaltars

Die Stiftung des Hochaltars für die Georgskirche wird dem Nördlinger Bürger Jakob Fuchshart und seinen Stiefsöhnen Heinrich und Melchior Müller zugeschrieben. Dass Jakob Fuchshart ein angesehener und wohlhabender Bürger und Gastwirt war, beweist die Tatsache, dass er die Gäste der Stadt, z. B. den Boten des Kaisers, beherbergte. Auch bekleidete er das Amt des Spitalpflegers und wird 1449 als Kirchenpfleger der St.- Georgskirche genannt. Als Freischöffe des Westfälischen Gerichts besaß er eine weitere wichtige Position und stand damit in Kontakt mit Mitgliedern des Adels.
Seine erste Frau Katharina starb um 1430 und hinterließ ihm zwei Söhne, Jakob und Antoni sowie zwei Töchter, Barbara und Agnes. Agnes Gernand, die Witwe des wohlhabenden Tuchhändlers Hans Müller und Tochter einer Nördlinger Ratsherrenfamilie wurde seine zweite Frau. Sie brachte drei Söhne, Heinrich, Melchior und Zacharias Müller mit in die Ehe. Heinrich Müller entwickelte sich zu einem äußerst erfolgreichen Großkaufmann. Er trieb Handel mit Gewürzen, Tuchen und anderen, zum Teil raren Artikeln, wie z. B. Augengläsern. Zur Zeit der Hochaltarstiftung war Heinrich Müller mit Abstand der wohlhabendste Bürger Nördlingens. Sein Bruder Melchior war Teilhaber an der Handelsgesellschaft.
Üblicherweise befinden sich die Männer auf der linken Seite und die Frauen auf der rechten. Parallel dazu sind auf dem linken Flügel die Darstellungen des Kirchenpatrons Georg angeordnet und auf der rechten Seite die Bilder der Kirchenpatronin Magdalena. Da man im Mittelalter Rechts und Links vom Altar und nicht vom Betrachter aus definierte, wie sich in der Zuordnung von Evangelienseite und Epistelseite zeigt, befinden sich die Männer rechts, d. h. auf der vornehmeren Seite und die Frauen links. Dass rechts als die bessere Seite interpretiert wurde, verdeutlichen die Weltgerichtsdarstellungen (z. B. Herlins Weltgericht auf dem Georgsaltar): Vom Altar aus betrachtet werden dort jeweils auf der rechten Seite die guten Seelen ins Paradies geleitet und die Sünder auf der linken Seite in die Hölle geführt. Auf der Tafel mit den männlichen Stiftern findet sich in der vordersten Reihe Jakob Fuchshart, gekennzeichnet als ältester mit weißem Haar. Dahinter knien seine Söhne und Stiefsöhne. Die männlichen Familienmitglieder haben - dem Kirchgang angemessen - respektvoll ihre Hüte abgenommen. Herlin gestaltet den Raum, in dem sich die männlichen Stifter befinden, adäquat zum Tempelraum auf der Tafel mit dem Götzensturz: Fliesenboden und gotische Fenster mit runden Butzenscheiben. Wie die weiblichen Familienmitglieder, die sich in einem Raum mit den Heiligen Barbara und Dorothea befinden, sind auch die männlichen Stifter dadurch in ein Bezugssystem zum Heilsgeschehen gesetzt.
Auf der Frauenseite beten im vorderen Kirchenstuhl Jakob Fuchsharts Töchter Barbara und Agnes. Dahinter werden seine erste verstorbene Frau Katharina und seine zweite Gemahlin Agnes präsentiert. Die Stifterinnen tragen die für den Kirchgang der verheirateten Bürgerin übliche Kleidung: Lange schwarze Mäntel und weiße Hauben mit Kinnbinde bzw. Schleier. Körper und Haar sind vollkommen verhüllt. Die Frauen halten jeweils Gebetsketten - Vorformen des heutigen Rosenkranzes - in den Händen. Im 15. Jahrhundert gab es Gebetsketten in drei verschiedenen Längen: Kurze mit 10-25 Kugeln, mittellange mit 25 bis 50 Kugeln und sehr lange mit ca. 150 Kugeln. Oftmals waren größere Perlen dazwischen gereiht, um das Zählen zu erleichtern. Die kurze Form, wie sie die Fuchshart-Söhne in den Händen halten, verwendeten fast ausschließlich Männer. Der mittellangen Perlschnur bedienten sich im allgemeinen die Frauen. Die Gebetsketten der Fuchshart-Töchter sind rot und damit als Korallen charakterisiert. Korallen waren das beliebteste Material für Gebetsschnüre dieser Zeit. Auch für die Nördlinger Pfingstmesse ist der Handel mit Korallen nachweisbar, die von Händlern aus Genua angeboten wurden.
Die weiblichen Familienmitglieder und Jakob Fuchshart knien in einer aus groben unverzierten Bohlen gezimmerten Kirchenbank. Die Gestühle sind mit Türchen versehen und bieten gerade Platz für zwei Personen. Es scheint sich um eine private Kirchenbank zu handeln. Eine einheitliche Kirchenbestuhlung für Laien, in Form paralleler Reihen langgestreckter Bänke, gab es zur Zeit Herlins kaum und ist für die Georgskirche erst ab 1479 nachweisbar. Die Kirchen waren häufig unsystematisch mit privaten Kirchenbänken bestückt. Den privaten Anspruch, das Besitzergreifen der Bürger in der Kirche, spiegelt die Anordnung des Nördlinger Rates von 1479: Der Rat verbietet bei schwerer Strafe jedermann, sich im neuen Kirchengestühl Sonderplätze einzurichten.
Mit der Stiftung des Hochaltars setzten sich Jakob Fuchshart und Heinrich Müller ein Denkmal. Stiftungen waren eine der wenigen Möglichkeiten, sich und seine Familie öffentlich zu präsentieren und die Abbildung der Fuchsharts auf dem Hochaltar, dem zentralen Ort der Kirche, war ein deutliches Zeichen für die exponierte Stellung und den Einfluss der Familie in Nördlingen. Die gewählte Darstellungsform reflektiert das Selbstbewusstsein der Familie: Die Stifter sind nicht in eine der Heiligenlegenden integriert, sondern es werden ihnen eigene Tafeln eingeräumt. Sie sind zudem nicht im Profil dargestellt - was zur Verdeutlichung des Betens genügen würde -, sondern in Dreiviertelansicht, so dass ihre Gesichter gut zu erkennen sind, d. h. sie beten nicht nur, sondern sollen dabei auch gesehen werden.
Dass jedoch nicht allein Repräsentationsbedürfnis maßgebend für die Stiftung war, sondern auch Fuchsharts fromme Gesinnung, beweist die Tatsache, dass er bereits 1461 dem Nördlinger Spital seine Güter in Oberdorf übergeben hatte, um einen Jahrtag halten zu lassen. Eine Altarstiftung war ein gottgefälliges Werk und vergegenwärtigte die Stifterfamilie zudem auf Dauer an einem geweihten Ort. Wie wichtig das Seelenheil für die Menschen war, spiegelt das blühende Ablasswesen der Zeit. Wie bereits erwähnt, finanzierte sich der gesamte Bau und die Ausstattung der Georgskirche aus Stiftungen bzw. Ablässen.

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