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Dem Gesetz Moses zufolge gehörten alle Erstgeborenen Gott. Mit der Darbringung und einem Auslösungsopfer wurde der Erstgeborene vom Dienst im Tempel befreit. Daher bringen auch Maria und Joseph ihr Kinde in den Tempel, wo er von dem greisen Simeon und der Prophetin Hannah als Gottessohn erkannt wird. Simeon war prophezeit worden, er brauche nicht eher zu sterben, bis er den Erlöser gesehen habe. Auf dem Bild Herlins streckt Simeon ? zum Zeichen der Devotion - mit verhüllten Händen und kniend gerade seine Hände nach dem Kind aus. Der Christusknabe sitzt aufrecht auf dem Arm der Mutter, um die Huldigung entgegen zu nehmen. Die den Messias lobpreisende, betagte Prophetin Hannah ist rechts von Maria abgebildet. Am linken Bildrand trägt eine Begleiterin ein Körbchen mit zwei Tauben, die anstelle eines Lammes als Reinigungsopfer für weniger wohlhabende Mütter nach der Geburt vorgeschrieben waren. Auch für diese Szene stützt sich Herlin auf die gleiche Darstellung des Columba-Altares. Dies zeigt sich besonders in der sakralen Raumgestaltung und der Magd mit den beiden Tauben. Herlin fügt zudem unter dem Altar, der auch als Anspielung auf den Opfertod Christi verstanden wurde, zwei Bücher als Hinweis auf das Alte und Neue Testament ein.

Die Flucht nach ägypten zeigt die üblichen Elemente dieser Szene: Maria und das Kind sitzen auf einem Esel, der von Joseph geführt wird. Josephs Ausstattung erinnert an einen Pilger: der Hut hängt auf dem Rücken, ein Stock erleichtert ihm das Gehen. Einerseits erklärt sich diese Darstellungsweise vor dem Hintergrund der Zeit, realistische Details zu gestalten, andererseits wird die Flucht nach ägypten damit zur Metapher für die Pilgerfahrt des Menschen durch die Mühen und Versuchungen des irdischen Daseins. Joseph hat einen Gürtel umgebunden, an dem ein Messer in einem Futteral hängt, wie es üblich war für die Zeit Herlins. Der Gürtel diente wesentlich der Befestigung all jener Utensilien, die man täglich benötigte, wie Messer, Schlüssel, Lederbeutel oder Leinentasche. Solche Beutel und Taschen führen auch die männlichen Stifter oder die Magd auf der Darbringungsszene mit sich. Im Hintergrund erstreckt sich eine Stadtkulisse, die anhand der Form der Mauertürme, der Kirche und des Rathauses, als freies Abbild Rothenburgs ob der Tauber, dem Herkunftsort Herlins, identifiziert wurde. Als interessantes Detail ist zudem auf dem rechten Hügel die Richtstätte der Stadt zu erkennen. Richtstätten lagen häufig gut sichtbar auf einem Hügel etwas außerhalb der Stadt. In Nördlingen diente die heutige Marienhöhe als ?Galgenberg?. Für alle deutlich sichtbar war der Galgen damit ein warnender Hinweis auf die reichsstädtische Rechtsordnung.

Die Bilderfolge endet mit der Darstellung des zwölfjährigen Jesus im Tempel, der letzten Begebenheit aus der Kindheit und Jugend Christi, über die das Lukas- und Matthäusevanglium berichten. Auf dem Rückweg vom Passahfest in Jerusalem begibt sich Jesus ohne das Wissen seiner Eltern in den Tempel. Die Schriftgelehrten bewundern dort die weisen Fragen und Antworten des Knaben. Erst nach langer Suche finden Maria und Joseph ihren Sohn wieder. Die Figurengruppen Jesus mit den Eltern einerseits und die Schriftgelehrten andererseits werden durch den Ausblick auf eine Straßenflucht voneinander getrennt. Auf der linken Straßenseite erstreckt sich ein vollständig aus Steinen errichtetes Gebäude, dem ein Fachwerkbau gegenübersteht. Schmutzschlieren an den Fenstern und ein Ziehbrunnen zeigen die zeitgenössische Art der Wasserversorgung und der Entsorgung von Unrat. Ein weiteres interessantes Detail ist die Abbildung des am rechten Bildrand befindlichen Schriftgelehrten mit einer Nietbrille. Nietbrillen gab es seit Ende des 13. Jahrhunderts. In der Kunst des Mittelalters wurde die Brille als Symbol für Weisheit und Gelehrsamkeit eingesetzt. So stattet Herlin auf seinem Rothenburger Altar den in der Predella abgebildeten Apostel Petrus sowie den Hohen Priester in der Beschneidungsszene ebenfalls jeweils mit einer Brille aus. übrigens ist für den Mitstifter des Georgsaltars, Heinrich Müller, für die Jahre 1459 und 1460 belegt, dass er mit Augengläsern handelte, die er aus Straßburg bezog.

Die Geburt Christi

Für die Komposition des Geburtsbildes übernimmt Herlin die Geburtsszene des Bopfinger Hochaltars von 1472. Die Tafel zeigt Maria in weißer Tunika, das Kind nackt auf ihrem Mantelzipfel liegend und von einem Strahlenkranz umgeben. Joseph, abgetrennt durch eine Säule, steht mit der Kerze hinter ihr. Es sind die gleichen Elemente wie auf der Darstellung des Georgsaltars. Zusätzlich fügt Herlin hier zwei vor dem Kind kniende Engel, die in der Heiligen Schrift lesen und zwei Hebammen, die das Geschehen beobachten, ein. Die Legenda Aurea berichtet, dass Joseph vorsorglich zwei Hebammen, Zebel und Salome, herbeiholte. Salome wollte nicht an die jungfräuliche Geburt glauben. Daraufhin verdorrte ihre Hand, bis sie auf Geheiß eines Engels das Christkind berührte und die Hand wieder geheilt wurde. Am vorderen Bildrand der Tafel wird das Gewölbe der Geburtshöhle angedeutet, in der Maria angeblich das Kind gebar. Diese Geburtsgrotte ist noch heute in der Geburtskirche in Bethlehem zu besichtigen.

In der Beschneidungsszene gruppieren sich die Anwesenden um einen Altar. Ein hoher Priester mit Brokatmantel und einer Kopfbedeckung, die einer Mitra ähnelt, nimmt gerade die Beschneidung vor. Seine zwei Gehilfen assistieren ihm dabei und halten das Christuskind. Der vorne rechts sitzende Gehilfe ist mit der für die Zeit typischen Gugel bekleidet, einer Kapuze mit Schulterkragen und überdimensionaler Verlängerung des Kapuzenzipfels. Ein dritter Gehilfe hält ein Salbgefäß bereit. Joseph steht hinter dem Altar und hebt seine Hand, als wolle er das Kind beruhigen. Eine weibliche Begleitfigur verfolgt das Geschehen. Dem Gesetz Moses folgend mussten die Söhne bis zum achten Tag nach der Geburt beschnitten werden, als symbolisches Zeichen des mit Gott geschlossenen Bundes. Mit der Beschneidung war zudem die Namensgebung verbunden. Maria fehlt bei diesem Ereignis, da eine Mutter nach der Geburt als unrein galt und den Tempel bis zur Reinigung nicht betreten durfte. Eine Beschneidung konnte von den Eltern oder auch einem Arzt vorgenommen werden. Ein Gang in den Tempel war hierfür nicht erforderlich. Doch die Darstellungen des Spätmittelalters versetzen diese Szene im allgemeinen in ein sakrales Umfeld, wie es auch bei Herlin zu beobachten ist. Bemerkenswert ist zudem, dass die Beschneidung in spätmittelalterlicher Kunst fast ausschließlich im Rahmen von zyklischen Darstellungen der Kindheit und Jugend Christi und nur höchst selten als einzeln stehendes Bildmotiv gestaltet wurde. In der Beschneidung Christi sah man die Verpflichtung Jesu gegenüber dem alten Gesetz. Gleichzeitig ist das Geschehen, bei dem das erste Mal das Blut des Erlösers vergossen wurde, als Anspielung auf die Passion verstanden worden. Die Legenda Aurea widmete der Beschneidung Christi ein eigenes Kapitel, um Sinn und Bedeutung dieses Ereignisses zu erläutern.

Für die Heimsuchung (der Begegnung Marias mit Elisabeth und die Erkenntnis ihrer Umstände) greift Herlin eine allgemein verbreitete Darstellungsform auf. Die Frauen treffen sich vor der Stadt. Entgegen den literarischen äußerungen, Maria habe das Haus ihrer Base betreten und sei Elisabeth dort begegnet, versetzten die Künstler die Visitatio (Heimsuchung) mit Vorliebe vor eine Landschaftskulisse. Die Frauen greifen sich bei den Händen. Sterne auf ihren Leibern kennzeichnen sie als werdende Mütter. Maria trägt nur einen losen Schleier über ihrem offenen Haar, während Elisabeth als verheiratete und ältere Frau ihr Haupt mit Schleier und Kinnbinde vollkommen verhüllt hat. Die Architekturkulisse im Hintergrund weist wieder deutliche Schmutz- und Witterungsspuren auf. Die Heimsuchung ist Bestandteil der Jugendgeschichte Christi, gleichzeitig aber auch ein bedeutendes Ereignis im Marienleben. Es ist die erste Huldigung Marias als Gottesmutter. Das Fest der Heimsuchung führte erstmals der Kirchenlehrer Bonaventura im 13. Jahrhundert für den Franziskanerorden ein. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts gewann es außerordentlich an Bedeutung und schließlich wurde es auf dem Basler Konzil 1441 endgültig in den kirchlichen Festkalender (2. Juli) aufgenommen.

Zwei Altarflügel von 1459

Für den Bildaufbau wählte Herlin einen im 15. Jahrhundert allgemein verbreiteten Bildtypus: die drei Könige nähern sich von rechts der Mutter-Kind-Gruppe. Er rückt die Figuren dieser Szene dicht an den vorderen Bildrand, wobei der Schwerpunkt der Darstellung weniger auf der Anbetung des Kindes, als vielmehr in der überreichung der Präsente liegt. Das Christuskind streckt seine Hände lebhaft nach dem Gefäß mit den Goldmünzen aus, das ihm der erste König geöffnet entgegenhält. Um deutlich zu machen, dass die Präsente kostbar waren, stellte der Maler die Gabenbehälter in Form von liturgischen Gefäßen dar. Die Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe wurden überdies als Zeichen für Königreich, Göttlichkeit und Tod Christi verstanden. Die Besucher sind nicht eindeutig als Könige charakterisiert, denn sie tragen keine Kronen sondern Hüte und können daher eher ? wie im Matthäus Evangelium (Kap. 2,1) erwähnt ? als die drei Weisen aus dem Morgenland verstanden werden. Die drei Könige, bzw. Weisen wurden im Mittelalter häufig als Besucher aus den bekannten Erdteilen Europa, Afrika und Asien, oder als Vertreter der drei Lebensalter dargestellt. Auf beides nimmt Herlin Bezug: Der vorderste König ist mit seinem weißen langen Bart und dem schütteren Haar der älteste, während der Jüngste von den drei Gästen, der Mohr, die Mode des jungen Mannes, einen kurzen Rock mit eng anliegenden Beinkleidern trägt. Der neben Maria stehende König mit dem prächtigen, pelzbesetzten Brokatgewand und dem Pagenschnitt repräsentiert dagegen die mittlere Generation. Letzterer besitzt ähnlichkeit mit dem Selbstporträt Herlins auf dem Familienaltar und wurde daher für das erste Selbstbildnis des Malers gehalten. Ob tatsächlich eine Porträtabsicht mit der Abbildung verbunden war, oder ob es sich nur um die Verwendung des gleichen Figurentypus handelt - wie sie häufig bei mittelalterlichen Werkstätten nachzuweisen ist ? bleibt offen. Im Hintergrund der Darstellung erstreckt sich eine sparsam strukturierte Landschaft mit einer Stadtkulisse. Anstelle eines Himmels gestaltet Herlin einen Goldgrund, der im Rahmen der Restaurierung im 19. Jh. erneuert wurde.

Für die Verkündigungstafel hat Friedrich Herlin Rogier van der Weydens Verkündigungsdarstellung des Columba-Altares in großen Teilen kopiert. Innenraum und Anordnung der Figuren stimmen weitgehend überein. Nur in Details weicht er von seiner Vorlage ab, z. B. gestaltet Herlin anstelle der Lilie Maiglöckchen als Symbol für die Jungfräulichkeit. Maria und Gabriel erreichen nicht die Ausdruckskraft der Figuren seines Vorbildes, doch Leuchtkraft und Intensität des Kolorits der Herlin Tafel stehen dem Werk van der Weydens kaum nach. Die Tatsache, dass der Maler die Verkündigungsdarstellung van der Weydens derart genau nachbildet, führt zu der bereits erwähnten Vermutung, dass sich Herlin in Köln aufhielt. Die Kunst Rogier van der Weydens beeinflusste Generationen von Künstlern in den Niederlanden und ihren Nachbarländern. Der Stil der niederländischen Kunst im allgemeinen und die Malerei van der Weydens im besonderen war auch die im Heiligen Römischen Reich gefragte Kunstrichtung. Der Columba-Altar, geschaffen im Auftrag eines Kölner Kaufmannes für die Columba-Kirche und die zahlreichen Anlehnungen an dieses Werk reflektieren diese Nachfrage sehr deutlich. Dass das Können der niederländischen Malweise gesucht war, belegen auch die Nördlinger Quellen. 1489 empfiehlt sich ein fremder Maler dem Nördlinger Rat mit Hinweis, dass er mit niederländischer Malerei umgehen könne. Mit großer Sicherheit beruhte der Erfolg Friedrich Herlins darauf, dass er sich für seine Werke an der Kunst Rogier van der Weydens orientierte und dessen Stil und Farbigkeit sehr gut beherrschte.

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