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Zwei hochrechteckige Altarflügel mit einer Mariendarstellung auf den Außenseiten bilden - bislang unbestritten - das früheste, datierte Werk Friedrich Herlins. Das ursprüngliche Aussehen und der Standort dieses Altares sind jedoch unbekannt. Beide Flügel wurden 1805 im Kreuzgang der St. Salvatorkirche durch den Nördlinger Maler, Heimatforscher und städtischen Mitarbeiter Johannes Müller aufgefunden und anschließend nach Höchstätt gebracht. Während die Stadt Nördlingen den rechten Flügel 1874 aus dem Nachlass des ortsansässigen Gerichtsarztes Dr. Martin Böhm erwarb und in drei Teile aufgespalten im Museum ausstellte, gelangte der linke Flügel in zwei Teile zersägt in das Bayerische Nationalmuseum München. Die Außenseiten der zwei Flügel lassen sich zu einer Verkündigungsdarstellung zusammenfügen: Links verkündet der Engel die Botschaft, die Maria rechts entgegennimmt. Die Innenseite des linken Flügels zeigte ursprünglich oben eine Muttergottes mit Kind, unten eine Beschneidung, der rechte Flügel oben eine hl. Ottilie, unten die Anbetung der Könige .

Die Maria der Verkündigung

Werden die beiden Altarflügel geöffnet, so erscheinen auf den Innenseiten die Darstellungen der thronenden Muttergottes und der Beschneidung sowie die Anbetung der Könige und die hl. Ottilie, die auffälligerweise mit Goldhintergrund versehen sind. Durch das öffnen ergibt sich so eine optische Steigerung von der geschlossenen Werktagsseite mit der Verkündigung ohne Goldgrund hin zur goldglänzenden Feiertagsansicht. Friedrich Herlin zeigt Maria mit weißem Umhang und rotem Kleid auf dem Sockel eines Lesepults kniend in einem einfach ausgestatteten Raum, an dessen Rückwand sich ein roter Vorhang ausbreitet. Sie hat sich gerade vom Pult abgewandt. Gabriel grüßt sie mit leicht erhobenen Händen und den Worten "Ave gracia plena dominus tecum" (Sei gegrüßt, du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir), die sich auf einem Spruchband über beide Bildtafeln erstrecken. Die Taube als Symbol des hl. Geistes schwebt zum Zeichen der Empfängnis über ihr. Auf dem Fliesenboden ist die Datierung "december VII(II) 1459" zu lesen.
Ein Vergleich mit der Verkündigungsmaria auf dem sogenannten Columba-Altar (Alte Pinakothek München), der sich ursprünglich in der Kölner Pfarrkirche St. Columba befand, zeigt deutlich, dass sich Herlin für die Gestaltung Marias an dem Madonnentypus orientierte, den der niederländische Maler Rogier van der Weyden in seinem Werk entwickelt hat. Die Gestalt der Maria mit schmalem Gesicht, hoher Stirn, langem, offenem und leicht gewelltem Haar entsprach dem zeitgenössischen Schönheitsideal, denn um das Gesicht zu strecken, war es im 15. Jahrhundert üblich, den Haaransatz zu rasieren. Marias Haartracht verdeutlicht zudem ihre Jungfräulichkeit, denn nur junge, unverheiratete Frauen trugen das Haar offen. Dagegen hatten verheiratete Frauen - zumindest in nördlichen Ländern - das Haar unter einer Haube oder einem Schleier zu verbergen.
Das traditionelle Symbol für die Jungfräulichkeit, die Lilie, fehlt auf der Tafel, ebenso wie weiteres schmückendes Beiwerk. Außer dem gemusterten Vorhang und dem Lesepult befinden sich keine zusätzlichen Ausstattungsgegenstände im Raum. Offensichtlich sollte der karge Innenraum mit der flachen Holzdecke und den einfachen Fenstern, sowie Marias demütiger Blick die Vorstellung von Maria als Magd Gottes betonen, ein Stilmittel, das bereits Stefan Lochner in seinem Außenflügel des Domaltars einsetzte. Schon diese frühe Tafel Herlins zeigt seine Anlehnung an die niederländische Malerei und die von den Niederländern stark geprägte Kölner Malerei.
Das Einfügen des Engelsgrußes in Form eines Spruchbandes lässt sich auf zahlreichen Retabeln des 14. und 15. Jahrhunderts feststellen. Offenbar war das Spruchband ein formaler Bestandteil der Verkündigungsdarstellung.

Die Anbetung der Könige

Für die Tafel mit der Anbetung der Könige wählt Herlin den gleichen Bildaufbau wie für die entsprechende Darstellung auf seinem Frühwerk 1459. Die Weisen - sie sind wieder als Vertreter der 3 Lebensalter charakterisiert - nähern sich von rechts kommend der sitzenden Muttergottes mit dem Kind. Der älteste König kniet bereits vor der Mutter-Kind-Gruppe. Im Gegensatz zur Abbildung von 1459 ist die Szene jetzt erzählfreudiger gestaltet: Maria ist nicht nur vor eine Landschaftskulisse platziert, sondern - in Übereinstimmung mit der Geburtsdarstellung- vor eine Ruine. Am Horizont ist eine Kirche zu erkennen, bei der es sich um die Georgskirche mit dem 1462 noch unfertigen Turm handeln könnte. Der Stern, der die Könige geführt hat, leuchtet über der Anbetungsgruppe. Die Kleidung der Könige ist prächtiger geworden: Säume und Hut des ältesten Königs sind mit Perlen besetzt. Der jüngste König, der Mohr, trägt einen kostbaren modischen kurzen Rock aus Brokatstoff mit aufwendigen ärmeln, dazu verzierte Beinkleider und sogar einen Ohrring. Hinsichtlich des modischen kurzen Rockes ist die Nördlinger Kleiderordnung von 1467 ein interessantes Dokument. Die jungen Männer der Stadt trugen ihre Röcke so kurz, dass man es als unschicklich empfand. Der Rat der Stadt erließ daher eine Kleiderordnung, in der vorgeschrieben wurde, dass der Rock so lang sein müsse, wie man mit seinem rechten Arm und seinen Fingern auf sein rechtes Bein herabreichen könne. Im Detail setzt Herlin im Vergleich zur Anbetung seines Frühwerks einen anderen Schwerpunkt. Auf der Anbetungsszene des Georgsaltars steht die persönliche, zärtliche Zuwendung des ältesten Königs im Vordergrund und nicht mehr das überreichen der Gaben. Die Anbetungsszene des Columba-Altares könnte Herlin hierzu inspiriert haben.

Die hl. Ottilie

Ottilie ist zwischen 660 und 720 historisch belegbar. Der Legende zufolge wird sie blind geboren, woraufhin ihr Vater, Herzog Athich, sie töten lassen will. Die Mutter rettet Ottilie und bringt die Tochter ins Kloster, wo sie getauft wird und dabei wundersamerweise das Augenlicht erhält. Als Ottilies Bruder die Schwester nach Hause zurückholen möchte, ist der Vater so erzürnt darüber, dass er ihn schlägt und der Sohn daran stirbt. Doch Ottilie führt trotz allem eine Versöhnung mit dem Vater herbei, der ihr daraufhin den Platz auf der Hohenburg überlässt, um ein Kloster zu erbauen (Kloster Odilienberg). Am Fuß des Berges gründet sie später ein zweites Kloster (Kloster Niedermünster). Als der Vater stirbt, erlöst Ottilie seine mit schwerer Schuld beladene und daher eigentlich für immer verdammte Seele vom Fegefeuer. Während des Gebetes für den verloren geglaubten Vater, vergießt Ottilie zahlreiche Tränen. Durch diese Tränen seien kleine Höhlen im Boden entstanden.
Herlins Bildtafel mit dem Ottilienwunder zeigt die Heilige als Klosterfrau vor einem Altar betend, dem als Aufsatz eine Tafel mit einer Kreuzigung sowie den Heiligen Barbara und Katharina dient. Vor dem Altar sind zwei Mulden, Tränenhöhlen, angedeutet, die sich auf die Heiligenlegende beziehen. Ottilie wendet sich ihrem Vater zu, der durch ihre Fürbitte vom Fegefeuer erlöst wird. Ein Engel entzieht ihn den qualvollen Flammen. Die Szene spielt vor einer karg gestalteten, hügeligen Landschaft. Den Abschluss am Horizont bilden zwei Kirchengebäude, an denen Herlins Vorliebe, die Spuren der Feuchtigkeit und Verwitterung am Gebäude darzustellen, gut zu sehen ist. Ein Goldgrund ersetzt auch hier das Firmament.
Der Glaube, dass dem sündigen Menschen durch Fürbitten geholfen werden kann, war ein wesentlicher Bestandteil mittelalterlicher Frömmigkeit und ist auch heute noch ein wesentliches Element des Gottesdienstes. So wurden zur Erinnerung an die Verstorbenen Messen gelesen bzw. gestiftet. Im Kirchenraum aufgehängte Epitaphien und Totenschilde sollten die Gläubigen zum Gebet für die Toten anregen. Die Vorstellung, ähnlich wie Ottilie für ihren Vater Fürbitte leisten zu können, war wichtig und tröstlich hinsichtlich der Angst der Menschen vor dem Jüngsten Gericht und dem Bewusstsein, nicht alle Sünden im Diesseits abtragen zu können. Die heilige Ottilie zählte zu den beliebtesten Heiligen des Spätmittelalters und war auch in St. Georg mit einem Altar vertreten, der aus dem Vorgängerbau übernommen und 1451 geweiht wurde.
Das von Herlin gewählte Kompositionsschema inklusive der angedeuteten Tränenhöhlen taucht seit Mitte des 15. Jahrhunderts in Tafelbildern und Graphiken auf. Dass auch die Abbildung eines mitten im Freien stehenden Altars nicht ungewöhnlich war, zeigen die Martyriumsdarstellungen der Apostel Matthäus und Matthias auf Stephan Lochners Kölner Weltgerichtsaltar.

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